20. September 2018

Wie geht man mit schwierigen Menschen um - ohne selbst einer zu sein


Die Frage, wie wir mit schwierigen Menschen umgehen können , wird in der Mai-Ausgabe der buddhistischen Zeitschrift Lion’s Roar thematisiert. Norman Fischer hat dafür einen wunderbaren Beitrag mit dem Titel „Ego Is the Real Culprit“ (Das Ich ist der Übertäter) geschrieben, den ich hier ein wenig gekürzt und ins Deutsche übertragen wiedergeben möchte. Den buddhistischen Rahmen, indem der Aufsatz im Original steht, habe ich weggelassen, ohne dass sich dadurch die Aussage und die Kraft der Aussage im Kern ändert:

Das „Selbst“ ist ein Grundproblem der menschlichen Existenz. Wir sind uns unseres „Selbst“ völlig sicher. Ich bin ich - klar. Wer sollte ich sonst sein? Aber was ist dieses „Selbst“? Wer bin ich?

Wenn ich ich bin und nicht Sie oder ein anderer, dann steckt darin immer auch eine Verwundbarkeit. Denn mein „Ich“ muss sich, um selbst sein zu können, gegen einen Anderen abgrenzen und behaupten, der sich entsprechend gegen mich behauptet. So nimmt das „Selbst“ ganz natürlich eine aggressive oder defensive Haltung an, die wenig Raum für Leichtigkeit lässt.

Dies erklärt, warum Menschen oft schwierig sind. Wenn Sie ständig Sicherheit brauchen und die Welt auf Bedrohungen und Kränkungen untersuchen müssen, werden Sie sich oft in einem Konflikt befinden. In diesem Sinne sind Konflikte nichts Ungewöhnliches, sie sind kein Fehler, sondern die Regel. Und es ist fast immer der Fall, dass Menschen, die sich in einem Konflikt befinden, denken, dass sie um dieses oder jenes kämpfen; tatsächlich kämpfen sie um ihre Identität. Sie kämpfen um das Recht, der zu sein, der sie sind. Sie kämpfen aus der Notwendigkeit heraus, dieses Recht gegen die Ansprüche eines anderen zu rechtfertigen.

Sogenannte schwierige Leute leiden fast immer an Verletzungen, an irgendwelchen Wunden, die ihnen sagen, dass es nicht in Ordnung ist, zu sein, wie sie sind und der sie sind. Und doch sind sie so, wie sie sind. Sie haben keine Mittel und Wege, mit ihrem eigenen Leid zurechtzukommen und es zu bewältigen, auch weil sich das Leid für sie zu überwältigend anfühlt, um sich ihm zu nähern. Stattdessen schlagen sie aus, was den Umgang mit ihnen nahezu unmöglich macht. 

Was auch immer Sie in so einem Fall tun, es wird falsch sein. Wenn Sie ihnen entgegenkommen oder nachgeben, nutzen sie es aus. Wenn Sie Widerstand leisten, treibt es nur ihren Angriff an. Es ist auch eine Falle zu denken, dass es irgendwie Ihre Schuld ist, auch wenn der andere Sie beschuldigt. Und es ist genauso eine Falle zu denken, dass die Schuld beim Anderen selbst liegt: Tatsächlich hat der Andere sich nicht wirklich dafür entschieden, so wütend, so verletzend und schwierig zu sein. Die größte Falle von allem ist zu denken, dass Sie etwas tun können, um den Anderen zu ändern.

Es gibt nur eine wirklich gute Möglichkeit, mit schwierigen Menschen umzugehen; und die besteht darin, sie zu verstehen und anzuerkennen, warum sie so sind, wie sie sind. Und wenn Ihnen das gelingt, dann können Sie sie trotzdem lieben. Und dann werden sie weniger schwierig sein oder zumindest für Sie weniger schwierig erscheinen.

Dies zu erreichen ist nicht so unmöglich, wie es scheint!

Auch Sie selbst sind eine schwierige Person! Wir alle sind manchmal defensiv oder aggressiv, wenn wir uns bedroht fühlen. Das Gefühl, das wir in diesen Zeiten haben, ist unangenehm und bringt nicht das Beste aus uns heraus. Wir haben also genug Anlass, uns zunächst einmal um unsere eigene „schwierige Person“ zu kümmern. Und wenn wir uns zum Beispiel mit Hilfe von Meditationspraxis selbst genau erforschen, werden wir auch andere verstehen lernen.

Wenn wir demütig anerkennen, warum wir so sind, wie wir sind, werden wir verstehen, warum die schwierige Person so ist, wie sie ist. Wie wir sind sie ihrer Konditionierung unterworfen. Wenn sie ein schwieriges Verhalten zeigen, sind sie keine glücklichen Menschen. Das zu wissen hilft uns, ihnen wenigstens ein bisschen zu vergeben. 

Dann können wir die großartige Lehre Shantidevas (ein Königssohn aus Südindien, der in der ersten Hälfte des achten Jahrhunderts lebte und Mönch wurde) schätzen, dass schwierige Menschen wertvolle Schätze sind, seltene Individuen, die uns zwingen, die Weisheit und das Mitgefühl zu entwickeln, die wir brauchen, um Frieden und Stabilität in dieser unruhigen Welt zu finden.


Quelle:
Norman Fischer, Ego Is the Real Culprit, Lion’s Roar May 2018

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