Was können Sie als Eltern da tun?
Ganz grundsätzlich sollten Sie natürlich versuchen, Ihren Kindern ein Lebenssituation zu schaffen, die ihnen ein gesundes körperliches und mentales Aufwachsen ermöglicht. Dazu gehören
- das Anbieten einer sicheren Bindung und die Stärkung des Zughörigkeitsgefühl,
- das Schaffen von Sicherheit auf körperlicher, sozialer und emotionaler Ebene und die Förderung von Selbständigkeit,
- ein ausgewogener Wechsels von Aktivität und Ruhe sowie die Entwicklung der Exekutivfunktionen.
Darüber hinaus sind zwei Dinge möglich und sinnvoll:
1. Mit Kindern über Emotionen und Gefühle sprechen
Sie können mit Ihren Kindern über Emotionen und mentale Gesundheit altersangemessen sprechen, einen guten Umgang mit schwierigen Emotionen entwickeln helfen und gemeinsam über Ursachen für emotionales Verhalten nachdenken. Am besten fangen Sie tatsächlich damit an, wenn Ihre Kinder noch klein sind. Denn dann haben Sie eine gute Grundlage geschaffen für die manchmal recht herausforderndere Zeit der Pubertät und Adoleszenz.
- Sie können damit beginnen, Gefühle im Körper aufzuspüren: Wo kribbelt, pulsiert, zittert es? Wo wird etwas hart oder weich, kalt oder heiß? Wo will sich etwas bewegen, ist schwer oder zappelig? Wo steckt Kraft oder Müdigkeit?
- Schon früh können sie beginnen, Gefühle zu benennen und zu differenzieren. Es gibt viel mehr Gefühle zu entdecken als nur glücklich, traurig und wütend. Finden Sie mit Ihrem Kind gemeinsam heraus, was zum Beispiel der Unterschied ist zwischen beflügelt und beschwingt zu sein, zwischen bedrückt und niedergeschlagen. Gefühle stecken sehr differenziert im Körper - spüren Sie sie auf!
- Überlegen Sie gemeinsam, wie man gut mit Gefühlen umgehen kann: Was kann ich machen, wenn ich betrübt oder durcheinander bin? Wie gehe ich damit um, wenn ich eifersüchtig bin? Seien Sie neugierig und finden es gemeinsam heraus.
- Entwickeln Sie gemeinsame Rituale, in denen Sie gute und schwierige Gefühle miteinander teilen. Seien Sie offen insbesondere auch für die schwierige Gefühle Ihrer Kinder, damit Ihre Kinder nicht glauben, sie müssten sie vor Ihnen verstecken. Halten Sie schwierige Gefühle einfach miteinander aus und vertrauen Sie darauf, das sie temporär sind. Es ist okay, wenn Kinder auch mal enttäuscht, frustriert, gereizt oder griesgrämig sind.
- Erklären Sie Ihrem KInd, dass das Entstehen von Emotionen damit zusammenhängt, ob für den Menschen eine Situation sicher oder gefährlich erscheint und inwieweit er sich dieser Situation gewachsen fühlt. Emotionen sind autonome Reaktionen unseres Nervensystems, die uns wichtige Hinweise geben, ob die Situation für uns stimmt. Sie sind keine Entscheidungen, die wir treffen, sondern Signale, die uns unser Körper schickt. Ausführlich erklärt habe ich das in dem Video „Der Polyvagal-Kreis“ (https://m.youtube.com/watch?v=2hc9PPN7L2c).
- Erklären Sie ihrem Kind, dass der Mensch Emotionen regulieren und Verantwortung für den Umgang mit ihnen übernehmen kann. Kinder können gemeinsam mit ihren Eltern lernen, Emotionen und Gefühle mit Achtsamkeit zu bemerken und anzuhalten, sich zu beruhigen und dann mit Hilfe ihrer erwachenden Einsicht zu entscheiden, was sie tatsächlich machen wollen.
2. Problematische Zustände und Verhaltensweise erkennen
Es ist nicht immer leicht, klar zu erkennen, ob ein junger Mensch tatsächlich Probleme mit seiner mentalen Gesundheit hat, denn die Symptome von psychischen Erkrankungen (z.B. Angststörung, Depression oder Trauma) sind sehr unterschiedlich. Es gibt jedoch einige Ausdrucks- und Verhaltensweisen, die darauf hindeuten können, dass Kinder möglicherweise psychische Probleme haben. Dazu gehören
- häufige Kopfschmerzen oder Bauchschmerzen (die leichter zu verbalisieren sind als schwierige Emotionen),
- der Verlust von alten Interessen und die Aufgabe von Freundschaften,
- anhaltende Veränderungen der emotionalen Gestimmtheit, des Schlafens und der Essgewohnheiten,
- deutliche Veränderungen der Schulleistungen und der Einstellung zur Schule,
- soziale Isolation,
- Todessehnsucht und
- übermäßig riskantes Verhalten.
Dabei ist nicht jede Veränderung gleich ein Ausdruck psychischer Probleme. Manche Stimmungsschwankungen und Veränderungen des Verhaltens sind einfach auch nur ein Ausdruck des Älterwerdens. Ein wichtiger Hinweis ist es, ob die Veränderungen gravierend und länger anhaltend sind oder das Funktionieren im Alltag beeinträchtigen.
Wenn Sie Dinge beobachten, die Sie aufmerken lassen, dann sollten Sie nicht wegschauen und hoffen, dass es nicht so schlimm ist, sondern aktiv werden:
- Sprechen Sie auffälliges Verhalten an, ohne es zu dramatisieren. Teilen Sie mit, welchen Eindruck Sie haben und fragen Sie Ihr Kind, ob Sie damit richtig liegen. Erkunden Sie, ob das Gefühl gegebenenfalls auch mit jemand anderem zusammenhängt? Machen Sie deutlich warum Sie fragen: Ich frage dich, weil du mir wichtig bist und weil ich den Eindruck habe, dass es dir nicht gut geht. Ich möchte für dich dasein.
- Machen Sie in ruhiger und unaufgeregter Weise klar, dass und wie sie tätig werden, wenn Sie, z. B. aufgrund von gefährlichem und gesundheitsschädigendem Verhalten oder geäußerter Todessehnsucht, den Verdacht haben, dass das Leben in Gefahr ist.
Die alltägliche Praxis gemeinsamer Gespräche über mentale Gesundheit sind nicht nur in Hinblick auf die Bewältigung von Krisensituationen hilfreich, sondern auch ganz allgemein für ein bewussteres und achtsames Leben. Sie fördern die Resilienz, also die Fähigkeit widrige Lebenserfahrungen konstruktiv zu bewältigen, die Zufriedenheit und das Lebensglück.
Und wenn Sie sich unsicher fühlen und den Eindruck haben, dass die mentale Gesundheit Ihres Kindes tatsächlich anhaltend aus der Balance geraten ist, dann sollten Sie sich nicht scheuen, einen Experten zu Rate zu ziehen. Schließlich kurieren Sie schwerwiegende körperliche Krankheiten auch nicht selbst. Oder?