22. April 2018

Wie will ich mein Kind erziehen - Familie und Erziehungsstil


Wenn wir eine Familie gründen, stehen wir  vor der Frage: Wie will ich mein Kind erziehen? Und vielleicht fragen sich die Eltern auch gemeinsam: Wie wollen wir unsere Kinder erziehen?

Doch diese Frage stellen wir uns nur selten in dieser Deutlichkeit. Viele Eltern erziehen einfach mal drauf los. Schließlich haben alle als Kind und Jugendliche Erziehung in irgendeiner Form erfahren. Und die machen sie nun irgendwie nach, wandeln sie mehr oder weniger ab oder wollen es genau so nicht machen, weil sie vielleicht darunter gelitten haben.

Die meistens Eltern haben dabei irgendwie auch ein Ziel vor Augen:
Sie wollen,  dass es den Kindern irgendwie gut geht, dass die Kinder eine glückliche und unbeschwerte Kindheit haben, dass sie selbst auch glücklich sind und auch immer wieder ihre Ruhe haben, dass andere sie als "gute Eltern" betrachten und so weiter und so fort. So schwer wird das schon nicht. Es wird schon irgendwie klappen. 

Eltern und Kindern sei es gewünscht!

Manchmal läuft es dann aber mit der Erziehung nicht so gut, wie man sich das vielleicht gewünscht hat. Schwierigkeiten treten auf, weil die Kinder nicht einfach mitmachen, Eltern sich nicht einig sind und in Streit geraten oder man selber an seine Grenzen stößt. 

Dann ist es hilfreich, sich ein wenig Klarheit zu verschaffen: 
Wie versuche ich eigentlich meine Kinder zu erziehen? Wie versucht mein Partner das? Was funktioniert gut und was nicht? Was sind meine Ziele? Wer hat eigentlich das Sagen? Welche Rolle spielen Macht, Kampf und Gewalt?

Es lassen sich unterschiedliche Erziehungsstile unterscheiden, die jedoch nur selten in Reinform praktiziert werden. Manche dieser Erziehungsstile gründen auf falschen Voraussetzung oder problematischen Annahmen. Entsprechend gut oder nicht gut funktionieren sie. 

Schauen wir uns kurz an, was bei den geläufigen Erziehungsstilen problematisch ist:

Ein partnerschaftlicher oder gleichberechtigter Erziehungsstil verkennt, dass Kinder keine gleichberechtigten und gleichverantwortlichen Partner sein können und dass Eltern tatsächlich die Macht haben. Diese Macht gilt es anzuerkennen und verantwortungsvoll auszuüben.

Ein demokratischer Erziehungsstill ist sicher gut gemeint, zumal dies auch unserer Gesellschaftsordnung, in der unsere Kinder aufwachsen, zu entsprechend scheint. Sicherlich kann auch über das Ausflugsziel am Wochenende demokratisch abgestimmt werden. Die Fragen aber, wie lange Kinder abends draußen bleiben können oder wie viel Taschengeld sie bekommen, erfordert jedoch eine verantwortungsvolle Entscheidung der Erwachsenen. 
Während Gesellschaftsordnungen in erster Linie für Erwachsene konzipiert sind, sind Familien für Kinder da, die noch nicht erwachsen sind.

Ein autoritärer Erziehungsstil ist eine unverantwortliche Machtausübung, da sie das Kind nicht mit seinen Bedürfnissen und Interessen sieht und ernst nimmt, sondern es unterdrückt. Vielleicht wird damit der Wille des Kindes oder des Heranwachsenden für den Moment erfolgreich gebrochen. Passiert dies jedoch zu oft, steht am Ende ein willfähriger Mensch vor uns. Doch vielleicht wird der Heranwachsende aber auch eines Tages heftig gegen das Erlebte rebellieren. 
Eine gute Beziehung bleibt beim autoritären Erziehungsstil meistens auf der Strecke.

Ein antiautoritärer Erziehungsstil ist zunächst einmal die verständliche Entscheidung gegen autoritäres Verhalten. Die Gefahr dabei ist jedoch, dass Kindern die notwendige Orientierung drüber, was von den Eltern als gut und richtig erkannt wurde, und das damit verbundene Gefühl der Sicherheit nicht gegeben wird. Kindern wird damit meist zu früh zu viel Verantwortung für ihr Erwachsenwerden übergeben, eine Verantwortung, die sie gar nicht meistern können.

Besonders schwierig wird es für Kinder, wenn die verschiedenen Stile miteinander kombiniert werden, ohne dass klar und abschätzbar ist, wann was gilt. Kinder können sich dann nicht darauf einstellen, wie in Familien miteinander umgegangen wird. Sie werden verunsichert und in ihrem eigenen Verhalten unklar. Das führt unweigerlich zu Konflikten.

Was bleibt da als gute Alternative?

Mein Vorschlag ist ein gleichwürdiger Erziehungsstil.

Gleichwürdigkeit nimmt einerseits die elterliche Verantwortung und Macht ernst und sieht anderseits das Kind mit seinem grundsätzlichen Recht, eigene Bedürfnisse nicht nur zu haben, sondern diese auch leben zu können und darin unterstützt zu werden. Dies ist eine ständige Suche nach Balance und kein Rezeptblock.


Literaturtipps:


Michaeleen Doucleff, Kindern mehr zutrauen. Erziehungsgeheimnisse indigener Kulturen, 2021
Laurence Steinberg, Age of Opportunity. Lessons from the new Science of Adolescence, 2015 

20. April 2018

Gleichwürdigkeit in der Familie


Wie gehen wir in der Familie miteinander um?

Die Antwort auf diese Frage ist nicht unwichtig, denn sie hat direkten Einfluss auf das Klima in der Familie .

Mein Vorschlag lautet: 

Gehen Sie gleichwürdig miteinander um.

Gleichwürdigkeit ist keine Methode, sondern eine Haltung, die Sie in der Familie dem Anderen gegenüber einnehmen, egal ob dass das Kind, der Jugendliche oder Ihr Partner ist. 
Gleichwürdigkeit beginnt in der Familie immer bei den Erwachsenen und kann Schritt für Schritt auch die Haltung der Kinder werde

Gleichwürdigkeit in der Familie hat vier Aspekte:

1. Ich nehme die spontanen Lebensäußerungen, Wünsche und Bedürfnisse meines Kindes genauso ernst wie meine eigenen. 

"Ich sehe dich, ich höre, was du willst, und ich glaube dir, dass dir das im Moment wichtig ist." Diese Haltung entspricht einem fundamentalen Bedürfnis eines jeden Menschen: Jeder Mensch möchte gesehen, gehört und ernst genommen werden. 
Genau dann fühlt er sich sicher und wohl.

2. Ich unterstütze mein Kind darin, Selbstgefühl und Verantwortung für sich zu entwickeln.
Kinder können, indem ihre Lebensäußerungen, ihre Wünsche und Bedürfnisse anerkannt, das heißt gesehen, gehört und ernst genommen werden, ein Selbstgefühl entwickeln: Sie können aus all den erlaubten Facetten ihres Soseins eine Antwort auf die Frage, wer sie sind, finden und ein Selbstgefühl entwickeln. Und sie können lernen, Verantwortung für das entdeckte Selbst und das dazu gehörende eigene Handeln zu übernehmen. 

3. Ich respektiere mein Kind als eine eigenständige Person, als ein "Selbst" mit eigener Würde. 
Ich lasse meinem Kind Raum dafür, dass es seine Vorstellungen und Werte darstellen und so weit es geht auch leben kann. Ich mache mich nicht lustig darüber, ich werte Dinge und Ideen, die ihm wichtig sind, nicht ab. Ich versuche zu verstehen und stehe dem Anderen so wenig wie möglich im Wege, sein Leben auf seine Weise zu leben.

4. Ich unterstütze mein Kind darin, eigene Integrität zu erleben und soziale Verantwortung zu übernehmen.
Wenn das Kind seine Werte und Bedürfnisse mit seinen Handlungsmöglichkeiten in Übereinstimmung bringen kann, dann erlebt er Integrität. Gleichzeitig kann es lernen, Verantwortung für seine sozialen Beziehungen zu übernehmen. Wieviel Selbst-sein und gleichzeitig in Kontakt bleiben ist möglich?

Dies ist natürlich ein Lernprozess, der über mehrere Jahre immer wieder die Unterstützung der Eltern braucht.
Kinder wissen zunächst oft eher, wozu sie gerade Lust haben, aber nicht immer, was ihre wirklichen Bedürfnisse sind. Nicht alles, was das Kind will, lässt auch genug Raum für die Bedürfnisse der Eltern. Nicht alles, was das Kind will, ist zu jeder Zeit sinnvoll. Unterschiedliche Interessen treffen hier immer wieder aufeinander und dies führt zu Konflikten. 
Eltern und Erziehungsberechtigte haben die Verantwortung Kinder in die Erwachsenenwelt mit ihren familiären, sozialen und kulturellen Werten einzuführen. Die Erwachsenen dürfen den möglicherweise daraus entstehenden Konflikten nicht aus dem Weg gehen. Sie haben die Macht für Entscheidungen und sie sind dafür verantwortlich, diese Macht verantwortungsvoll zu nutzen; 
Damit Gleichwürdigkeit in einer Familie gelingt, müssen sich alle darin üben. Die gleichwürdige Familie ist kein Zustand, sondern ein Prozess, der mal besser und mal weniger gut gelingt.

Und auch wenn es nicht immer einfach ist, gleichwürdig und verantwortungsvoll zu agieren, so lohnt sich diese Mühe vom Ergebnis her betrachtet auf jeden Fall:
Das Kind wird ein stabiles Selbstgefühl entwickeln, seine Motivationen, Wünsche und Bedürfnisse kennen lernen - genauso wie die anderer Menschen. 
Es wird lernen, sich mit anderen über die Verwirklichung seiner Interessen und Bedürfnisse zu verständigen und die der anderen Menschen dabei zu berücksichtigen.  
Das Kind wird für sich und die soziale Gemeinschaft Verantwortung übernehmen können.
Und es wird ohne große seelische Verletzungen zu einem mental gesunden Erwachsenen heranwachsen.


Was bei akuter Angst, Verzweiflung oder Panik hilft

Wenn Aufregung, Wut, Angst, Verzweiflung oder Panik Sie oder einen Menschen in Ihrem Umfeld erfasst, können die folgenden Übungen helfen: 1....