25. September 2017

Ich schäme mich


Kennen Sie das Gefühl?


Sie machen oder sagen etwas, ohne groß nachzudenken. Alles ist okay. Und dann bemerken Sie plötzlich den missbilligenden Blick des anderen. Und schon taucht es auf, das Gefühl der Scham, dass Gefühl, nicht richtig zu sein.

Die Situation bekommt plötzlich Zeitlupentempo oder steht still. Wo gerade noch Leichtigkeit und Lebendigkeit war, ist nun Stillstand und Schwere. Sie senken die Augen oder wenden ein wenig den Blick ab. Vielleicht würden Sie sich jetzt am liebsten verkriechen.

Wie kann es jetzt weitergehen?

Scham ist ein Gefühl, das früh im Leben eines Kindes auftaucht.  Aus seiner Lebensfreude heraus stößt das Kind auf die Grenze der Eltern und später auch die Grenzen der sozialen Gemeinschaften, der Gesellschaft.

Nein!“  - „Was machst du da bloß?!“  - „Hör auf!“ - „Lass das sein!“ - „Das macht man nicht!“

Das kann sich für ein Kind bedrohlich anhören, weil der Kontakt, die Verbundenheit verloren zu gehen droht. Das Kind fühlt sich sehr unwohl, es merkt, dass etwas im Zusammenhang mit seinem Handeln und Sein unerwünscht und nicht gut ist. Und es weiß aus sich heraus nicht weiter. Ein Gefühl der Verunsicherung tritt ein. Und als erste Reaktion darauf kommt alles im Kind zum Stillstand. Was nun?

Hier ist es die Aufgabe der Erwachsenen, das sich schämende Kind aus der Scham zu befreien, es zurückzuholen in den Lebensfluss. Das Kind muss aus dem Stillstand zurück in die Bewegung, aus dem Kollaps zurück in die Freude geleitet werden. Das Kind muss erfahren können, dass diese eine konkrete Handlung nicht erwünscht, nicht akzeptiert wird in dieser Beziehung UND dass das gemeinsame Leben weitergeht: „Das war nicht okay und jetzt können wir weiterspielen.“ 

Das Kind kann so die Beziehung als weiterhin intakt erfahren und die wichtige Erfahrung machen, welche Handlungen in der sozialen Gemeinschaft nicht erwünscht oder abgelehnt werden. Die Scham hat also eine wichtige Funktion.

Wird das Kind jedoch in seinem Schamgefühl allein gelassen oder wird das Gefühl sogar noch verstärkt, das Kind gedemütigt und seine Integrität zerstört („Mit dir ist das immer so!“ - „Du bist unmöglich!“), kann es zum psychischen Kollaps, zur Traurigkeit und dauerhaft depressiven Stimmungen kommen und sich ein Gefühl des Verrats, des Verlassenseins festsetzen. Die Scham wird dann toxisch, sie vergiftet das Lebensgefühl, sie lässt den Menschen sich grundsätzlich falsch und unerwünscht fühlen.

Toxische Scham kann zum einen Ausdruck finden in depressiven Stimmungen, Erschöpfung, Müdigkeit und dem Gefühl von Ekel. Zum anderen kann eine dahinterliegende Wut immer wieder explosionsartig auftauchen, eine Wut, die sich aus der aktuellen Situation heraus kaum verstehen lässt.

Scham ist im sozialen Kontext ein wichtiges Gefühl. Es springt an, wenn wir die Grenzen des anderen übersehen oder verletzt haben. Indem es dafür sorgt, dass wir dann unser Handeln unterbrechen, bewahrt es uns davor, den Schaden noch größer zu machen. Menschen, die keine Scham empfinden oder dieses Gefühl nicht zulassen, sind im Umgang rücksichtslos und skrupellos. 

Gesunder Umgang mit Scham braucht eine Balance zwischen der eigenen Integrität und den gesellschaftlichen Erwartungen, die sich im günstigen Fall bereits in der Kindheit mit Hilfe liebevoll und klar handelnder Eltern und anderer Menschen angebahnt hat. 

Es ist gut, wenn ich weiß, wer ich bin und wofür ich stehe. Wenn ich mir darüber sicher bin, kann ich dies zeigen und vertreten. Vielleicht ecke ich mit meinen Vorstellungen und Werten bei anderen an, vielleicht sind einzelne Kontakte und Beziehungen dadurch schwierig. Das kann ich wahrnehmen und mit einem guten Selbstgefühl auch ertragen.

Und ich kann unterscheiden zwischen dem, was ich falsch gemacht habe, und dem, was anderen nicht gefällt. Fehler kann ich wiedergutmachen und meine Position entschieden verteidigen.

Es ist die aufblühende Würde meiner Person, die toxische Scham heilt.

Was bei akuter Angst, Verzweiflung oder Panik hilft

Wenn Aufregung, Wut, Angst, Verzweiflung oder Panik Sie oder einen Menschen in Ihrem Umfeld erfasst, können die folgenden Übungen helfen: 1....